Channel Islands
- Sailing Mana
- 23. Juni
- 7 Min. Lesezeit
Irgendwo zwischen Frankreich und England im Ärmelkanal
Von den Kanalinseln hatten wir bisher keine wirkliche Vorstellung. Irgendwo zwischen Frankreich und England im Ärmelkanal sollen sie liegen – damit endete unser Kenntnisstand auch schon. Das sollte sich auf dieser Reise jedoch bald ändern.
In Cherbourg haben wir reichlich Zeit, auf ein passendes Wetterfenster zu warten und uns mit der Ansteuerung und dem gefürchteten Alderney Race zu befassen.
Alderney Race
Als Alderney Race wird die Strömung zwischen besagter Insel und dem Cap de la Hague bezeichnet. Der Strom ist in der Meerenge zwischen Frankreich und der nördlichsten Kanalinsel beachtlich. Mit bis zu 12 Knoten zählt er zu den stärksten Gezeitenströmungen Europas – daher ist die richtige Törnplanung absolut wichtig. Ansonsten kann es passieren, dass man gar nicht ankommt oder aber am Ziel vorbeirauscht.
Da wir zuerst Alderney und nicht direkt Guernsey ansteuern, können wir diese Strömung jedoch etwas umfahren. Wir machen einen längeren Schlag nach Norden, um dann nach Südwesten den kleinen Hafen Braye an der Nordküste Alderneys anzusteuern.
Die Fahrt war dennoch nicht wirklich schön. Eine Schar Basstölpel begleitet uns zwar fliegend, aber dann haben wir Wind gegen Strom – und eh Wind gegenan – das ist nie schön. Wir tauchen ordentlich in die Wellen ein. Aber man kann es sich ja nicht immer aussuchen. Oder doch? Wir haben eine gute Woche in Cherbourg abgewartet, aber so ein richtig gutes Wetterfenster kam einfach nicht, und irgendwann wollten wir auch weiter.
Gelbe Briefkästen und Flaggen
Wir schaffen es dennoch und kommen zwar etwas gebeutelt, aber ansonsten heil auf Alderney an – unser erster Halt außerhalb der EU. Mit ca. 8 km² ist sie die drittgrößte der Inseln vor der französischen Küste. Die Kanalinseln sind ein sogenanntes “Crown Dependency” (Kronbesitz), aber kein Teil des Vereinigten Königreichs. Sie sind also weder UK noch EU/Schengen. Die Inseln sind autonom, haben eigene Parlamente und Flaggen sowie eigene Währungen, die allerdings an das Britische Pfund gekoppelt sind.
Wir klären vorab online unsere UK-ETA – die wir nicht benötigen, wie wir später feststellen – und müssen bei Ankunft einklarieren. Wir hissen die gelbe Q-Flagge, die signalisiert, dass keine ansteckenden Krankheiten an Bord sind, das Schiff noch nicht offiziell einklariert ist, wir aber bereit sind zur Einreise und Abfertigung durch die Behörden.
Da Alderney so klein ist, gibt es kein Immigration Office. Am Steg hängt ein Schrank, darin befinden sich die Einreiseformulare. Hier hinterlassen wir Angaben zu Schiff und Crew und werfen sie dann in den gelben Briefkasten daneben. Et voilà: Wir sind einklariert. Das war doch einfacher als gedacht.
Alderney hat übrigens keinen Hafen mit Steganlage. Wir machen – wie die meisten anderen Boote – an einer Mooring fest und müssen unser Dinghi nutzen, um an Land zu kommen. Nach einigen Anläufen springt der Außenborder auch an.
Einmal rund um Alderney
Kims Geburtstag verbringen wir auf Alderney. Der Tag beginnt mit einem ausgiebigen Frühstück – inklusive selbst gebackener Scones. Danach geht’s mit dem Dinghi an Land, wo wir Fahrräder mieten. Gemeinsam mit Frank und Christine von der SY Greta machen wir uns auf, einmal die Insel zu umrunden. Schon nach wenigen Kilometern wird klar: Hinter beinahe jeder Biegung oder jedem Felsen steht ein Fort. Die ganze Insel wirkt wie eine einzige große Befestigungsanlage.
Alderneys besondere geostrategische Lage hat das Erscheinungsbild der Insel über Jahrhunderte hinweg geprägt. Sie liegt direkt an der nördlichen Zufahrt zum Ärmelkanal – die Kontrolle über den Schiffsverkehr zwischen Atlantik und Nordsee war immer von großer Bedeutung. Schon zur Römerzeit diente Alderney vermutlich als Wachposten. Im Lauf der Geschichte wurde sie immer wieder besetzt und militärisch genutzt. Die Spuren dieser Vergangenheit sind bis heute sichtbar – fast wie ein Freilichtmuseum der Festungsarchitektur.
Trotzdem hat die Insel eine ganz eigene, stille Schönheit. Sie ist grün, wild, offen – mit viel Natur und weiten Blicken aufs Meer. Die Menschen begegnen uns freundlich und herzlich. Nur einmal werden wir etwas schroff darauf hingewiesen, dass wir mit den Fahrrädern gegen die Einbahnstraße fahren.
Kurz bevor wir die Räder zurückgeben, kommen wir noch an einer „Free Range Pigs Farm“ vorbei. Die braun-gescheckten Schweine scheinen zu glauben, wir hätten Futter dabei – sie kommen aufgeregt angerannt. Leider können wir nichts anbieten.
Den Abend lassen wir gemütlich bei einem wirklich guten Essen im Pub „The Georgian House“ ausklingen.

The Swinge
Von Alderney aus segeln wir durch The Swinge nach Guernsey. Auch diese Meerenge – zwischen Alderney und der kleinen Nachbarinsel Burhou – ist berüchtigt für ihre starken Strömungen. Wieder einmal haben wir Wind gegen Strom, und die See zeigt sich entsprechend ruppig. Zwischen dem Kap und den Felsen wird es ordentlich turbulent. Der Bug taucht tief in die Wellen ein. Zum Glück ist es nur ein kurzes Stück – nach der Passage beruhigt sich das Wasser wieder etwas.
Hart am Wind geht es weiter. Doch so richtig meint es Fortuna nicht gut mit uns: Nach einigen Meilen entdecken wir Risse in unserer Genua. Unsere Segel sind nicht mehr die jüngsten, und gerade die Nähte sind anfällig. Die Genua hat keinen UV-Schutz – das bedeutet, wir müssen konsequent eine Persenning drüberziehen, wenn sie nicht im Einsatz ist. Frustriert bergen wir das Segel und setzen die Fahrt nur unter Großsegel fort. Zur Unterstützung nehmen wir den Motor dazu – so schaffen wir es immerhin noch im geplanten Zeitfenster nach Guernsey.
Wir erreichen St. Peter Port kurz vor Öffnung der Marina – auch hier ein Gezeitenhafen. Ein Drempel verhindert bei Niedrigwasser das Ablaufen des Wassers und sorgt so für ausreichende Tiefe. Rein kommt man dafür nur rund um das Hochwasser. Wir hissen erneut die gelbe Q-Flagge, klarieren ein und bekommen einen schönen Liegeplatz zugewiesen. Hier können wir erst mal durchatmen.

Karibik-Vibes auf Guernsey und Herm
Am nächsten Tag gehen wir auf Entdeckungstour und werden so richtig überrascht.
Wir starten am Hafen und laufen entlang der Küste. Zuerst passieren wir ein paar Meerwasserpools, die bei Flut mit frischem Meerwasser gefüllt werden. Wenn das Wasser sich bei Ebbe zurückzieht, bleiben die Pools voll – perfekt für ein sicheres Bad, unabhängig von der Tide. Leider haben wir keine Badesachen dabei und wandern erst enmal weiter auf dem Cliff Walk. Der Pfad schlängelt sich durch lichten Wald, dann wieder über offene Klippen mit freiem Blick auf das Meer. Es geht viel auf und ab – steile Stufen, Wurzeln, Felsen – aber der Weg ist wunderschön.
In der Fermain Bay legen wir eine Pause ein und sammeln neue Energie. Dann geht es weiter – und was jetzt kommt, ist einfach atemberaubend: Das Wasser schimmert in Türkis und Blau, kleine weiße Strände blitzen zwischen den Felsen auf, grüne Wälder reichen fast bis ans Meer. Möwen segeln im Wind, Fischerboote schaukeln in kleinen Buchten. Kneif uns mal einer… Die Landschaft erinnert wirklich an die Karibik. Wir können uns den mühsamen Weg dorthin fast sparen. Wer hätte gedacht, dass es auf den Kanalinseln so schön ist?!? Hinter jeder Biegung wartet ein Ausblick, der noch beeindruckender ist als der vorherige. Immer wieder fällt unser Blick auf Herm und Sark, die kleinen Nachbarinseln von Guernsey.
Nach etwa vier Stunden nehmen wir den Bus zurück zum Hafen. Die halbstündige Fahrt ist ein Erlebnis für sich: Der Bus klappert, ruckelt und fährt zügig durch enge Gassen. Oft muss der Gegenverkehr ausweichen oder sogar zurücksetzen, damit wir durchpassen.
Guernsey erscheint uns sehr lebendig. Mit ca. 63 km² und etwa 63.000 Einwohner*innen ist sie die zweitgrößte Kanalinsel. Das Klima ist sehr mild und sonnig, mit über das Jahr gleichmäßig verteiltem Regen. Daher ist es auch so schön grün. Guernsey hat zwei Amtssprachen: Englisch und teils noch Guernésiais, ein altes normannisches Französisch, das einem hier manchmal begegnet. Und eine eigene Währung – Guernsey-Pfund, die aber im Wert identisch mit dem Britischen Pfund ist. Die Insel ist definitiv ein echtes Highlight unserer bisherigen Reise! Eine wunderschöne Mischung aus britischer Gemütlichkeit, französischem Flair und spektakulärer Küste mit jeder Menge Postkartenfeeling. Wir könnten noch viel länger hier bleiben.
Zurück in Saint Peter Port gehen wir beim Segelmacher vorbei, der unser Vorsegel geflickt hat, und halten noch einen netten Plausch mit ihm über das Reisen und die Insel an sich. Die Begegnungen mit den Locals sind sehr entspannt und freundlich. Vielleicht liegt auch das an der Mischung aus britischer Höflichkeit und französischem Laissez-faire!?
Am nächsten Tag setzen wir mit der Fähre nach Herm über. Die kleine Insel gehört zu Guernsey, ist nur rund 2 km² groß und komplett autofrei. Nicht einmal Fahrräder sind erlaubt. Es gibt keine befestigten Straßen – Traktoren und Quads übernehmen den nötigen Transport.
Herm ist ein Naturparadies: üppige Vegetation, blühende Wiesen, viele Vögel – und eine entspannte Ruhe. Das Meer leuchtet auch hier in unwirklichem Türkis und tiefem Blau. Wieder dieses Karibikgefühl.
Wir hatten befürchtet, mit vielen Tagestouristen unterwegs zu sein, aber das verläuft sich schnell. Die meiste Zeit sind wir ganz für uns und genießen die Natur und die Stille.
Zurück auf Guernsey springen wir noch in einen der Meerwasserpools – ein kaltes, aber dennoch einmaliges Erlebnis.
Pubkultur auf Jersey
Die Überfahrt von Guernsey nach Jersey verläuft entspannt, der Wind lässt im Laufe des Nachmittags nach und wir machen nur noch wenig Fahrt. Aber wenigstens segeln wir wieder mit der reparierten Genua. Allerdings wundern wir uns schon, dass wir so langsam sind.
In Jersey betrachten wir das Unterwasserschiff genauer und stellen fest, dass wir sehr viel Bewuchs am Schiff haben. Uns war klar, dass wir neues Antifouling benötigen. Aber dass es so schlimm ist, war eine neue Erkenntnis. Wir fahren praktisch einen Unterwassergarten durch die Gegend. Kim spachtelt einiges ab, aber wir können nicht länger übersehen, dass wir schnell aus dem Wasser müssen, um den Bewuchsschutz zu erneuern. Das hatten wir eigentlich im letzten Winter vor Abfahrt machen wollen. Aber wie es so ist: andere Dinge waren dringender und dann kam schlechtes Wetter hinzu, bei dem man solche Arbeiten sehr schlecht ausführen kann. Nun werden wir versuchen, das Ganze zeitnah in Frankreich zu erledigen.
Abends nutzen wir den Aufenthalt in Jersey, um ein wenig in die Pubkultur einzutauchen. In Hafennähe gibt es einen traditionellen englischen Pub mit viel Auswahl an frisch gezapften Ales, Bitter und Cider sowie einer großen Whiskey-Karte.

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